Interview mit: Heinz-Josef Botthof, msg treorbis, Management Trainer.
Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen bei der Mitarbeiterbindung heute?
Der demographische Wandel wirkt sich auf dem Arbeitsmarkt massiv aus. Die Mehrzahl der Unternehmen ist schon direkt damit konfrontiert. Junge Mitarbeiter zu finden ist schwer, alte und erfahrene Mitarbeiter gehen in großer Zahl in Rente. In einigen Fällen wird die Digitalisierung eine Lösung sein, oder zumindest das Problem entschärfen. Die aktuelle Pandemie wird durch die nun kommende Rezession und die damit zunehmende Arbeitslosigkeit gekennzeichnet. Für eine kurze Zeit verschafft das den Unternehmen eine Atempause. Das generelle Problem besteht allerdings weiter. Denn jede Stelle, die unbesetzt bleibt oder nicht adäquat besetzt ist, mindert die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit.
Auf was kommt es in dieser Situation ganz besonders an?
Aktuell ist es wichtig, eine gute Unternehmenskultur zu haben. Die Mitarbeiter sollen sich in diesen sehr unsicheren Zeiten mit breit gefächerten Problemen zugehörig fühlen. Die Identifikation mit dem Unternehmen ist jetzt besonders wichtig. Das Ziel muss sein, gerade in diesen schwierigen Zeiten Leistungsträger an das Unternehmen zu binden. Dazu müssen leistungsfähige Strategien erarbeitet werden, um die wirtschaftlichen Lasten zu überstehen. Gleichfalls wird man später darauf schauen, wie Unternehmen die Krise bewältigt haben. Das hat sicherlich eine positive und längerfristige Auswirkung auf potenzielle neue Mitarbeiter.
Was müssen die Unternehmen tun?
Die bisher gut wirkenden Instrumente wie attraktive Bezahlung, Karriereschritte und spannende Projekte finden im Moment sehr schnell ihre Grenze. Mehr denn je ist dies aber nur ein Teil der Lösung. Es sind schlicht Hygienefaktoren - oder anders gesagt Grundvoraussetzungen - für ein ordentliches Arbeitsklima. Damit sich der Mensch wohl fühlt, muss er sich wertgeschätzt fühlen. Das Gefühl muss regelmäßig vom unmittelbaren Umfeld vermittelt werden.
Die Schlüsselrolle haben dabei die Führungskräfte.
Wie schätzen Sie die Führungssituation in Deutschland ein?
Führungskräfte sind häufig Personen, die teilweise ohne Vorbereitung in die Rolle „rutschen“, gleich eine große Leitungsspanne zu bewältigen haben und gleichfalls selbst ihr bester Sachbearbeiter sind. Daher müssen sie mit Aufgaben des Tagesgeschäftes einen großen Teil der Arbeitszeit verbringen. Für Führung bleibt wenig Zeit. Gute Mitarbeiter können auch ohne die Führungskraft erfolgreich agieren, wenn sie Freiraum haben und selbständig arbeiten können. Wertschätzung und Kommunikation bleiben aber auf der Strecke. Dadurch besteht die Gefahr, dass die Potentiale nicht ausgeschöpft werden.
Schwächere Mitarbeiter können sich ohne Führung weder einbringen, noch entwickeln. Die Überforderung dieser Kollegen werden die Leistungsträger unter den Mitarbeitern ausgleichen müssen. So verlangt es auch die Führungskraft: "Wir sind alle ein Team“, "Wir sitzen alle in einem Boot", „Verhalten sie sich kollegial“ sind dann die leider wirkungsfreien Parolen.
Die Zufriedenheit der guten Mitarbeiter sinkt, die Gefahr der Fluktuation steigt. Das wird die Probleme weiter erhöhen. Der Teufelskreis nimmt seinen Lauf.
Also ist gute Führung auch aus strategischer Sicht ein kritischer Erfolgsfaktor.
Was zeichnet gute Führung aus?
Führung bedeutet, die Fähigkeiten der Mitarbeiter optimal zu nutzen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Dazu gehört zum einen, die richtigen Mitarbeiter zu haben und diese bedarfsgerecht einzusetzen und zu qualifizieren. Zum anderen müssen die Ziele im Gesamtkonzept des Unternehmens stimmig und realistisch sein.
Führen bedeutet auch, sich um die Mitarbeiter zu kümmern. Dazu ist Kommunikation nötig, die auch ein Baustein für die Vertrauensbildung ist. Außerdem muss der „Mensch“ gesehen werden, nicht nur der Arbeitnehmer. Gerade in der Pandemie mit den neuen Regeln, merken wir wie wichtig diese Komponente ist. Die Mitarbeiter sind im Homeoffice oder nur sporadisch vor Ort. Stimmungen zu erfassen ist für Führungskräfte massiv erschwert.
Führung wird heute häufig auf Zielerreichung, Auslastung, Umsatz, Ergebnis oder andere messbare Kriterien reduziert. Diese Form der Führung bezeichne ich als "Führen nach Zahlen“. Der Mitarbeiter wird verwaltet, aber keinesfalls entwickelt. Passt er zur Arbeit, ist es o.k., passt er nicht mehr hat das Unternehmen ein Problem.
Welche Rolle spielt Weiterbildung in dem Zusammenhang?
Damit ein Mitarbeiter seine Aufgaben in dem Unternehmen langfristig erfolgreich erledigen kann, müssen seine Kenntnisse und Fähigkeiten laufend an die geänderten Rahmenbedingungen angepasst werden.
Konsequente Weiterbildung ist der Schlüssel hierzu.
Unternehmen müssen sie als dauerhafte Aufgabe verstehen und die Human-Resource-Strategie muss Teil der Herangehensweise des Unternehmens sein.
Wir qualifizieren heute für die Aufgaben von morgen. Für das „Heute“ können wir im Grunde nichts mehr tun. Uns bleibt nur die Schadensbegrenzung. Leider mit den nachteiligen Auswirkungen auf die Zufriedenheit der Mitarbeiter.
Gute Weiterbildung ist Führungsaufgabe. Denn nur die Führungskräfte wissen, wohin sich der Bereich entwickeln wird und welche Fähigkeiten und Kenntnisse die Mitarbeiter dann benötigen. Die geeignete Durchführungsform, sowie die Erweiterung um generelle Themen, die Führungskräfte oft nicht im Blick haben, ist Aufgabe der Experten in der Personalentwicklung. Je besser Führungskräfte und Personalentwickler zusammenwirken, umso leistungsfähiger und zielführender ist die Weiterbildung. Falsche Qualifikation, Fehlallokation von Mitteln und daraus erwachsender Frust der Mitarbeiter werden vermieden.
Gute Weiterbildung wird so auch zum wichtigen Faktor, damit Mitarbeiter dem Unternehmen lange verbunden bleiben.
Was gehört außerdem noch zur Unternehmenskultur?
Ein für viele Mitarbeiter wichtiger Punkt ist die Zusammenarbeit mit den Kollegen. Die Arbeit ist anstrengend genug und man würde jede andere Belastung im Umfeld gerne vermeiden. Ressortegoismen, Abgrenzungen, Herrschaftswissen usw. sind Faktoren, die eine Zusammenarbeit massiv beeinträchtigen können.
Es muss gelingen, einen Wertekanon zu leben, der unter anderem Ehrlichkeit, Offenheit, Wertschätzung, Vertrauen, Respekt und gegenseitige Unterstützung im Team verkörpert. Die Worte dürfen keine leeren Hülsen bleiben. Für die gute Umsetzung braucht es vertrauensvolle Vorbilder. Wie Rupert Lay sagen würde: Führungspersönlichkeiten. Das beginnt ganz oben! Selbstverständlich sind hier auch wieder die Führungskräfte in ihrer Rolle auf allen Ebenen gefragt. Allerdings kann es eine Führungskraft auf der mittleren Ebene nicht umsetzen, wenn es von oben nicht vorgelebt und akzeptiert wird.
Wie lautet Ihr Fazit?
Aktuell müssen Unternehmen alles tun, um gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Krise zu überstehen. Wir müssen durchhalten. Dennoch ist es jetzt wichtig, für die Zeit nach der Pandemie die Weichen zu stellen. Agieren und nicht nur reagieren ist wichtig. Spontane Schnellschüsse zur Schadensbegrenzung müssen vermieden werden. Etwas zu tun, um ein gutes Gefühl zu vermitteln, wird eine Einzelmaßnahme ohne dauerhaften Erfolg bleiben.
Unternehmen müssen es schaffen „Ganzheitliches Denken“ bei der Lösung dieser Herausforderung zu nutzen. Außerdem muss das Denken der Mitarbeiter, insbesondere der Führungskräfte, geändert werden. Die Maßnahmen sollen nicht „für“ die Mitarbeiter sondern „mit“ den Mitarbeitern gemacht werden.
Der Grundsatz Betroffene zu Beteiligten machen muss dominieren. Dann steht dem Erfolg nichts mehr im Wege.
Das Interview führte: Steffi Griesser, msg treorbis
Ihre Ansprechpartner:
Steffi Griesser
Heinz-Josef Botthof
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